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AUF SKITOUR

Skitouren Special

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Die eigene Planung unterwegs hinterfragen, bestätigen oder notfalls korrigieren

Bevor es los geht: Jede Tour sollte am Parkplatz mit einem LVS Check starten. Beim LVS Check geht einer der Gruppe in den Gruppencheckmodus des LVS Gerätes. Alle modernen Geräte besitzen diese Funktion. Alle anderen schalten ihr Gerät ganz normal im Sendemodus ein und gehen einzeln mit einem Abstand von ca. 1 Meter am Gruppencheckgerät vorbei. Ein akustisches Signal bestätigt, dass das jeweilige LVS Gerät auch eingeschaltet ist. Danach kann die Skitour starten.

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Tourenplanung überprüfen und hinterfragen

Unterwegs auf Tour wird die eigene Planung auf den Prüfstand gestellt. Jegliche Parameter sollen fortlaufend überprüft und hinterfragt werden. Die Planung zuhause ist lediglich eine Annahme von Tatsachen und Bedingungen wie sie vor Ort erwartet werden. Im Winter spielen vor allem die Faktoren Schnee und Wetter eine große Rolle. Aber auch das Zeitmanagement und die Kondition der Tourenpartner stehen unter Beobachtung. Gerät ein Faktor zu sehr aus dem Lot muss flexibel darauf reagiert werden und die Tour, das Tempo, die Spuranlage oder die Routenwahl laufend angepasst werden. Das kann sowohl zu einer längeren und schwierigeren Tour führen, wenn die Konditionen besser als erwartet sind, oder es müssen Abstriche gemacht werden. Auf einen ganz entscheidenden Faktor für die Sicherheit im Winter auf Skitour wird in diesem Kapitel genauer beleuchtet. Die Lawinengefahr.

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Strategien zur Entscheidungsfindung: Die Elementare Reduktionsmethode

Das wichtigste, wenn man draußen in den tief verschneiten Bergen unterwegs ist sollte stets sein, dass man auch wieder sicher und heil nach Hause kommt. Hier lauert ein schwierig einzuschätzendes Risiko unter unseren Füßen. Mit einigen einfachen Werkzeugen und Strategien kann dieses Risiko minimiert werden. Grundlage dafür sind jedoch zwei entscheidende Faktoren: Der Lawinenlagebericht und die Hangneigung. Es sind die Grundlagen für jede der inzwischen unzähligen Strategien wie Stop or Go, Snowcard, Bierdeckelmethode, Filtersystem und viele andere. Sie alle basieren auf den beiden Hauptfaktoren Gefahrenstufe laut Lawinenlagebericht und Hangneigung. Zumindest diese beiden Informationen müssen für jede dieser Entscheidungshilfen in Erfahrung gebracht werden. Die Basis für alle diese Strategien, die nach und nach entstanden sind und wo sich viele Experten und Einrichtungen mit einer eigenen Methode verwirklicht haben ist stets die Elementare Reduktionsmethode von Werner Munter.

Elementare Reduktionsmethode
Die Elementare Reduktionsmethode kommt zu folgendem Ergebnis: Bei Lawinenwarnstufe 4 Verzicht auf Hänge, die steiler als 30° sind. Bei Lawinenwarnstufe 3 liegt die Grenze bei 35° und bei Lawinenwarnstufe 2 bei 40°. Das ist die einfachste und Grundlegendste Regel auf Skitouren. Hält man sich ein Leben lang an diese Grundregeln, wird man zwar wahrscheinlich ohne Begegnung mit Lawinen bleiben, man wird jedoch auch sehr oft Touren abbrechen und generell kaum anspruchsvolle und eher langweilige Skitourentage erleben. Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass der Lawinenlagebericht generell übergreifend für eine bestimmte Region zu betrachten ist und die Einzelhangbeurteilung selbst durchgeführt werden muss. Zum anderen muss man zwingend in der Lage sein, die Hangneigung richtig einschätzen zu können. Damit auch der zweite wichtige Faktor, der die Grundlage für die spätere Entscheidung wird seine Richtigkeit hat. Auf der Basis dieser Elementaren Reduktionsmethode sind dann wie bereits erwähnt viele weitere Strategien entstanden, welche weitere Faktoren in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Dazu zählen zum Beispiel die beobachteten Alarmzeichen, die Gruppengröße, die Hangexpositionen, die Höhenlage, das Lawinenproblem, der Wind und viele andere. Sie alle liefern Argumente auch steileres Gelände zu betreten oder unterhalb der definierten Grenzen zu bleiben. Damit wird recht schnell klar, dass die Elementare Reduktionsmethode und alle weiteren daraus resultierenden Strategien lediglich eine Hilfe zur Entscheidungsfindung darstellen, die ein hohes Maß an Eigenverantwortung und einen bestimmten Wissenstand voraussetzen um die Lawinengefahr richtig einschätzen zu können.

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Hangneigung unterwegs messen und Einzugsgebiete je nach Lawinenwarnstufe

Einer der wichtigsten Indikatoren der Lawinengefahr ist die Hangneigung. Lawinen gehen durchschnittlich in 37.8° steilem Gelände, unabhängig von der Lawinengefahr. Unterhalb von 30° werden nur in sehr seltenen Fällen Lawinen beobachtet. Und das fast ausschließlich bei eingeschneitem Graupel, der als Schwachschicht dient. Der Lawinenlagebericht verwendet die folgenden Bezeichnungen zur Angabe der Steilheit: Mäßig steil ist alles unter 30°, steiles Gelände ist zwischen 30° und 35°, Sehr steiles Gelände ist zwischen 35° und 40° und alles darüber wird als extrem steil bezeichnet. Welche Möglichkeiten gibt es jedoch, unterwegs herauszufinden, wie steil der Hang ist:

- Mit technische Hilfsmittel
Einfachste Methode zum Messen der Hangneigung funktioniert mit dem Smartphone. Dazu einfach den Stock auf den Schnee legen und das Smartphone mit der Längsseite darauf aufliegen lassen. Mit diversen Neigungsmessungsapps kann die Hangneigung ganz einfach abgelesen werden.

- Mit Skistöcken
Für die Methode mit den Skistöcken benötigt es lediglich zwei gleich lange Skistöcke. Einen legt man zunächst in den Schnee und macht eine Linie am Stockende in den Schnee. Danach wird der Stock ohne ihn an der Spitze zu verschieben angehoben. Der zweite Stock wird als Pendel genau im Lot am Stockende gehalten und eine Markierung genau dort in den Schnee gemacht, wo er ihn wieder berührt. Liegt die erste Markierung, des liegenden Stockes genau dort, wo auch der zweite Stock als Pendel den Schnee berührt, ist der Hang genau 30° steil. Je weiter unterhalb das Pendel den Schnee berührt, desto steiler ist der ang. Hier gilt: Pro 10cm werden zu den 30° jeweils 3° dazugezählt.

- Durch Schätzen
Die dritte Methode und definitiv jene, welche die meiste Übung und Erfahrung braucht ist das Schätzen des Hanges. Gleichzeitig ist es jedoch auch die sicherste Variante. Um einen Hang mit den vorher beschriebenen Methoden messen zu können muss er zunächst betreten werden. Dort dann festzustellen, dass er eigentlich steiler als gedacht ist und man ihn bei der vorherrschenden Gefahrenstufe besser nicht hätte betreten sollen ist nicht ganz ideal. Ein guter Tipp ist es einfach immer zunächst die Hänge zu schätzen und nachher erst zu messen um nach und nach ein Auge zu bekommen.


Einzugsgebiete – Lawinenwarnstufe

Bei der Spuranlage muss je nach Gefahrenstufe ein bestimmter Bereich auch neben der Spur in die Beurteilung mit einbezogen werden. Hier gelten die folgenden Grundregeln, die bei der jeweils vorherrschenden Gefahrenstufe bewertet werden muss:

Gefahrenstufe 1:
Hier gilt es lediglich den Bereich unmittelbar neben der Spur zu berücksichtigen

Gefahrenstufe 2:
Bei Lawinenwarnstufe 2 sollte links und rechts der Spur jeweils die angrenzenden 20 Meter mitbetrachtet werden

Gefahrenstufe 3:
Bei Lawinenwarnstufe 3 gilt es bereits den gesamten Hang in der Beurteilung einfließen zu lassen. Das Lawinenpotential ist größer und die Auslösewahrscheinlichkeit höher. Auch mögliche Auslaufzonen von Lawinen kritisch beurteilen.

Gefahrenstufe 4:
Bei Lawinenwarnstufe 4 muss die gesamte Hangpartie samt Auslaufzonen berücksichtigt werden. Nimmt man zusätzlich die 30° für die maximale Hangsteilheit als Grenze, dann sind die Tourenmöglichkeiten bei dieser Stufe sehr stark eingeschränkt.

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Auf Alarmzeichen achten

Ein weiteres wichtiges Indiz zum Einschätzen der Lawinengefahr und zur besseren Beurteilung sind die Alarmzeichen, die unterwegs beobachtet werden können.

Frische Lawinen:
Frische spontane Lawinen deuten auf einen unstabilen Schneedeckenaufbau und eine gute Bruchfortpflanzung hin. Dabei auf die Art von frischen Lawinen achten. Gleitschneerisse und Lockerschneelawinen sind für den Skitourengeher weniger problematisch. Bei frischen Schneebrettlawinen sollten die Alarmglocken läuten.

Setzungsgeräusche:
Wumm Geräusche beim Betreten der Schneedecke. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich im Inneren der Schneedecke eine Schwachschicht befindet, die man in der Lage ist zu stören. Im Grunde sind bereits alle Zutaten für eine Lawine gegeben außer der Steilheit des Hanges. Vorsicht, da bei einer guten Bruchfortpflanzung auch Fernauslösungen der steilen Hänge rundherum möglich sind.

Risse beim Betreten der Schneedecke:
Sobald die Schneedecke betreten wird gehen ganze Risse auf. Ein eindeutiges Warnsignal dafür, dass die Schneedecke unter einer großen Spannung steht.

Wechten, Schneefahnen und Triebschnee:
Sind alles Anzeichen für eine große Windaktivität. Anhand der Schneeoberfläche und verschiedenen Strukturen im Schnee kann die Windrichtung erkannt werden. Vorsicht vor allem in den Windschattenseiten, wo der Schnee abgelagert wird und wo sich gefährliche Triebschneepakete ansammeln.

Stark durchnässte Schneedecke:
Vor allem im Frühjahr durch die tagezeitliche Erwärmung, aber auch im Winter durch Regen kann die Schneedecke stark durchfeuchtet sein. Bricht man knietief in diesem nassen faulen Schnee ein, ist man vorgewarnt. Die stark durchnässte Schneedecke hat keine Stabilität mehr. Zudem wird man sowieso keinen Abfahrtsspaß haben. Eine Situation, die auch im Frühjahr bereits in den frühen Morgenstunden bei bewölkten Nächten herrschen kann, wenn die Schneedecke nicht ausstrahlen konnte.

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Verhaltensregeln

Das Anlegen einer guten Aufstiegsspur erfordert einiges an Erfahrung und Wissen in Bezug auf alpines Gelände und der Schneebeschaffenheit. Die Spur sollte weder zu steil noch zu flach angelegt werden. Aber noch viel wichtiger als eine angenehme Spur ist es, sie in einem möglichst sicheren Gelände anzulegen. Auch bei der Abfahrt sollten nicht alle Sicherheitsbedenken über Bord geworfen werden. Dafür können folgende Anhaltspunkte und Überlegungen genutzt werden:

Aufstieg:
- Die Spur dem Gelände anpassen. Rinnen, Mulden und steile Abbrüche, wenn möglich meiden
- Frische Triebschneeansammlungen umgehen
- Aktiv auf Alarmzeichen achten
- Verlier niemals die Orientierung. Prüfe deine Position auf der Karte gegen
- Achte auf die Hangneigungen der Hänge durch welche deine Spur führt
- Ab 30° empfiehlt es sich Entlastungsabstände von 10 Metern zwischen den einzelnen Tourenpartnern zu halten
- Achte auf die Auslaufzonen von steilen Hängen die über der Spur liegen

Abfahrt
- Nur bei sicheren Verhältnissen gleichzeitig Abfahren
- Bei unsicheren Verhältnissen Entlastungsabstände von mindestens 50 Metern einhalten beziehungsweise Hänge einzeln befahren
- Der Erfahrenste fährt voraus und sucht immer wieder sichere Sammelpunkte
- Bei schlechter Sicht fährt man am besten entlang der Aufstiegsspur ab
- Gruppenmitglieder beobachten sich gegenseitig
- Stürze vermeiden: Sie wirken mit dem 7-fachen Körpergewicht auf die Schneedecke ein

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Gute Planung und Vorbereitung zu Hause ist das Eine, diese Planung und Annahmen unterwegs zu hinterfragen, bestätigen oder zu korrigieren ist das Andere. All zu oft sind die Verhältnisse vor allem im Winter nicht wie angenommen. Dann nicht einfach blind der falschen Tourenplanung folgen gehört zu wichtigen Fähigkeiten eines Skitourengehers, der auch alt werden möchte. Mit genügend Flexibilität und etwas Phantasie im Gelände wird man dennoch in der Lage sein, auch bei schlechten oder gefährlichen Bedingungen tolle Skitouren zu machen.

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Brunner Andreas - Südtirolalpin

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