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ALPINKLETTERN LERNEN

Alpinwissen

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Vom Sportkletterer zum Alpinkletterer

Der Weg als Sportkletterer in das alpine Gelände braucht etwas Zeit. Hier gilt es vor allem neben dem Beherrschen einiger zusätzlicher Knoten und Seiltechniken, das Gespür für den Routenverlauf und das Anbringen von mobilen Sicherungen sowie den Bau von sicheren Standplätzen zu bekommen. Diese kleine Schritt für Schritt Anleitung soll dich auf die richtige Spur bringen.

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Ausrüstung eines Alpinkletterers

Um deinen Werdegang als Sportkletterer in das alpine Gelände zu beginnen braucht es zunächst einiges an Ausrüstung. Die Grundausstattung eines Alpinkletterers in den Dolomiten besteht im Grunde aus folgenden Materialien (Je nach Länge, Schwierigkeit, Absicherung, Felsart und Absicherung der Route muss diese Ausrüstung individuell angepasst bzw. erweitert werden)

- Halbseile
- Klettergurt
- Kletterpatschen
- 4 HMS Karabiner
- 2-3 Normalkarabiner
- Sicherungsgerät (das sich auch zum Abseilen eignet)
- 2-3 Kevlar (1.5mt. und 3mt.)
- 1 Kurzprusik
- 3 Bandschlingen (1x60cm und 2x120cm)
- 1 Satz Friends
- 6-12 Express
- Helm
- 1 Felshammer
- 3-4 Normalhaken

Für die gesamte Ausrüstung musst du ziemlich tief in die Tasche greifen. Hier ist es sinnvoll mit 2-3 mittleren Friends zu starten, und die Routen entsprechend zu wählen. In guten Topos wird darauf hingewiesen was es in etwa an zusätzlichen mobilen Sicherungsmitteln braucht. Das ist jedoch individuell sehr unterschiedlich und hängt stark vom Kletterniveau und der Psyche des Kletterers ab.

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Wichtige Grundregeln

Die komplette Ausrüstung alleine reicht noch nicht aus: Bevor du in deine erste Route einsteigst, solltest du dir Gedanken darüber machen, wie das mit dem Sichern und mit dem Bauen geeigneter Standplätze funktioniert. Seiltechniken, Knoten, Seilkommandos und der Ablauf in der Wand darf ruhig vorher geübt werden.


Der Standplatz:

Die größte Aufmerksamkeit gilt dem Standplatz. An ihm hängt die gesamte Seilschaft. Wenn hier Fehler passieren können die Folgen gravierend sein. Hier die wichtigsten Grundregeln und Eigenschaften, die jeder Standplatz haben sollte:
- Es braucht mindestens 2 sichere Fixpunkte (Redundanz)
- Die Kräfte möglichst gleichmäßig auf diese Punkte verteilen
- So einfach und übersichtlich wie möglich gestalten

Zum Verbinden der Sicherungspunkte gibt es mehrere Möglichkeiten, die du je nach Art und Qualität der Fixpunkte wählen kannst:
- Reihenschaltung
- Kräfteverteilung

​Die Reihenschaltung:
Eine Reihenschaltung ist vor allem bei Bohr- oder Klebehaken sinnvoll. Hier wird mittels eines Schraubkarabiners und eines Mastwurfs der untere Fixpunkt mit dem oberen verbunden. Hier lastet die ganze Kraft auf einem Fixpunkt, deshalb nur bei absolut zuverlässigen Fixpunkten zu empfehlen. Sollte dieser aber ausbrechen, geht die Kraft direkt ohne Fangstoß auf den zweiten Fixpunkt über.

Die Kräfteverteilung:
Die Kräfteverteilung kommt zum Einsatz, wenn mehrere Fixpunkte von einer Qualität, die nicht zu 100% sicher bewertet werden kann, zu einem sicheren Standplatz verbunden werden sollen. Auch hier gilt es die richtige Technik zu verwenden, um beim Ausbrechen eines Fixpunktes die Belastung und den Fangstoß auf die verbliebenen Punkte so gering wie möglich zu halten.

Um all diese Techniken richtig zu erlernen, reicht es nicht ein Buch oder einen kurzen Artikel wie diesen zu lesen. Das Thema ist zu komplex und viel zu wichtig dafür. Schließlich hängt das eigene Leben sowie das Leben des Kletterpartners an diesem Wissen. Ein Kurs, oder ein erfahrener Alpinkletterer, der einem diese Techniken zeigen kann sind Gold wert. Dann heißt es eigentlich nur noch üben und richtig umsetzen.


Die wichtigsten Knoten:

Beim Alpinklettern kommt man mit lediglich 6 Knoten aus:
- Achterknoten
- Halbmastwurf
- Mastwurf
- Sackstich
- Marchand (oder Prusik)
- Ankerstich


Die Seiltechnik und der Ablauf:

Zunächst binden sich beide Kletterer jeweils an den Seilenden mit dem Achterknoten ein. In der ersten Seillänge wird der Kletterer ganz normal, wie im Klettergarten oder der Halle auch vom Boden aus am Körper gesichert. Sobald der Vorsteiger einen geeigneten Standplatz gebaut hast und selbst in diesem Fixpunkt gesichert hast, gibt er das Kommando: „STAND“. Der Sicherer kann das Seil nun aus dem Sicherungsgerät nehmen. Danach zieht der Vorsteiger das übrige Schlappseil zu sich zum Standplatz. Nun nimmt er den Nachsteiger in die Sicherung. Diese wird am Standplatz fixiert. Sobald auch der Nachsteiger am Standplatz ist, beginnt das Spiel von neuem. Nur wird ab der zweiten Seillänge idealerweise vom Standplatz gesichert. (Mit wenigen Ausnahmen, die jedoch meist nur von erfahrenen Kletterern gebraucht werden)

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Elementare Überlegungen

Wichtig für den Einstieg ins Alpinklettern: Wähle die Routen am Anfang weit genug unter deinem Kletterlimit. Die Bewertungen sind für Einsteiger recht knackig. Vor allem, da sie meist mit den ganzen neuen Seil- und Sicherungstechniken schon ordentlich gefordert sind. Als Einstieg eignen sich mit Bohrhaken ausgestattete Mehrseillängenrouten hervorragend. Hier kannst du das Bauen der Standplätze sowie das Seilhandling üben und perfektionieren, ohne dir über die Routenfindung, das Legen von Zwischensicherungen oder die Bewertung der vorhandenen Zwischensicherungen Gedanken machen zu müssen. Außerdem gewöhnst du dich an eine Menge Luft unterm Hintern. Sollten Zweifel aufkommen oder das Wetter umschlagen, ist ein Rückzug aus diesen Routen meistens ohne Probleme möglich. Achte bei der Auswahl der Routen darauf, ob im Topo oder der Routenbeschreibung eine Abseilpiste über die Route eingezeichnet ist. Bei Quergängen solltest du dir im Klaren sein, dass der Weg nach unten über die Route versperrt ist. Hier gibt es nur die Flucht nach vorne. Tragisches und berühmtestes Beispiel ist die Tragödie an der Eiger Nordwand 1936 - Stichwort: Hinterstoisser Quergang.

​Für die ersten Versuche in diesen sportlichen Mehrseillängenrouten reicht meist ein Einfachseil aus. Beachte aber im Falle eines Rückzugs dass dir bei einem 60 Meter Seil lediglich 30 Meter Abseilstrecke zur Verfügung stehen. Viele Abseilpisten sind darauf ausgerichtet, jedoch nicht alle. Einfach bei der Tourenplanung berücksichtigen.

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Das Abseilen

Nach oben kommen ist lediglich die halbe Miete. Die Abstiege im alpinen Gelände sind meistens abenteuerlich, verlangen absolute Trittsicherheit und sind vor allem in den Dolomiten kaum weniger anspruchsvoll als der Weg nach oben. Oft sind beim Abstieg auch immer wieder Abseilmanöver erforderlich. Wie funktioniert das mit dem Abseilen eigentlich? Wichtig auch hier wieder: Die Fixpunkte an denen abgeseilt wird:
- Sind die Fixpunkte der Abseilstelle sicher?
- Wie lang ist die Abseilstrecke bis zum Grund oder zum nächsten Standplatz?
- Wie weit kann ich mit dem vorhandenen Material abseilen?


​Der Ablauf, sobald diese Fragen beantwortet sind schaut folgendermaßen aus:

- Hänge dich zunächst mit einer Selbstsicherung in den Standplatz damit du sicher arbeiten kannst.

- Mit dem Einfachseil: Durchfädeln und durchziehen eines Seilendes in den Fixpunkt bis zur Seilmitte.
- Mit den Halb- bzw. Zwillingsseilen: Binde jeweils ein Seilende der beiden Seile mittels eines Sackstichs zusammen (Achte auf genügend Seilrest hinter dem Knoten (min. 20-30 cm) und ziehe alle 4 Enden separat fest.

- Bevor das Seil Auswirfst bindest du noch einen Sackstich an die beiden Seilenden um ein Abseilen über das Ende des Seils hinaus zu verhindern. Die Folgen dürften klar sein.

- Hänge dein Abseilgerät in beide Seilstränge ein.

- Unter deinem Sicherungsgerät gehört noch ein Kurzprusik (oder Marchand).


Bevor du deine Standplatzsicherung entfernst und mit dem Abseilen beginnst: Check nochmal alles. Hier gibt es keine Redundanz und keinen Platz für Fehler.

​Während des Abseilens prüfe ständig deine Richtung und Wirf die hängengebliebenen Seile rechtzeitig weiter nach unten. Halte ständig nach dem nächsten Standplatz Ausschau um nicht daran vorbeizuseilen. Das würde nur unnötig Kraft, Zeit und Nerven kosten.

Am nächsten Standplatz angekommen wiederholt sich das Prozedere wieder von vorne.

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Der Weg zum kompletten Alpinkletterer

Sobald du ausreichend Erfahrung gesammelt hast und dich in den weniger abenteuerlichen Routen pudelwohl fühlst kannst du deine Fähigkeiten in immer alpineren Routen unter Beweis stellen. Hier sind deine gesamten Fähigkeiten gefragt: Alpine Erfahrung, Improvisation und ein geschickter Umgang mit Seil und Sicherungsmitteln.

Die Felsqualität musst du richtig einschätzen können. Griffe sind im Gegensatz zum Sportklettergarten nicht immer so fest mit der Felswand verbunden wie es scheint. Prüfe mit einem Schlag gegen den Griff ob dieser Hohl klingt und belaste sie generell nach unten und nicht nach außen.

Schnelligkeit ist ebenso ein wichtiger Faktor um sicher unterwegs zu sein. Das Wetter kann sich im Gebirge innerhalb kürzester Zeit verändern. Speziell im Hochsommer sind heftige Gewitter keine Seltenheit.

Eine guter Überblick was sich wo an deinem Gurt befindet kann dich in brenzligen Situationen vor einem unfreiwilligen Abgang bewahren. Achte auf eine gute Ordnung am Gurt, die du während der gesamten Tour konsequent durchziehst. Irgendwann kommt der Moment an dem du am Limit bist und eine Zwischensicherung brauchst die du in deinem Wirrwarr am Klettergurt aber nicht finden kannst.

Häufig kommt es vor dass du und dein Seilpartner euch nicht mehr hört. (z.B. Sellajoch). Hier hilft es zu den üblichen Seilkommandos die ihr euch zuruft auch noch leise Seilkommandos zu vereinbaren. z.B.: "sobald ich 3 mt. vom roten Seil einziehe habe ich Stand."

Ein Topo richtig lesen ist essenziell um Verhauer zu vermeiden. Was sind die markantesten Punkte in der nächsten Länge, kann ich bereits von meinem Standplatz aus erkennen wo sich der nächste Standplatz befinden müsste. Welche Zwischensicherungen sind in der nächsten Seillänge zu erwarten: Sanduhren, Normalhaken oder gar Holzkeile? Wie lang ist die Seillänge bis zum nächsten Stand? Sinnvoll hier auch wenn dir dein Seilpartner mitteilt sobald du bei der Hälfte des Seiles angelangt bist. Je früher du Verhauer erkennst desto weniger Zeit verlierst du.

Schau dir bereits beim Zustieg den Routenverlauf an. Aus der Entfernung hast du einen viel besseren Überblick als direkt unter der Wand. So bekommst du bereits bevor du einsteigst einen viel besseren Überblick was dich erwartet.

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Dieser kleine Artikel soll vor allem ein Ansporn sein, den Weg hinaus in die alpinen Wände zu wagen. Er allein kann jedoch keinesfalls einen Alpinkletterer aus dir machen. Das geht am sichersten und am schnellsten, indem du entsprechende Kurse besuchst, oder dir diese Fähigkeiten von einem Bergführer beibringen lässt. Einfach drauf los ziehen und probieren kann zwar auch funktionieren, kann ich jedoch nicht empfehlen. Das Fehlerpotential ist sehr hoch und die Konsequenzen fatal. Nichtsdestotrotz gehört Alpinklettern zu den schönsten, intensivsten und eindrücklichsten Erfahrungen, die ein Bergsteiger machen kann.

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Brunner Andreas - Südtirolalpin

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