EISKLETTERN LERNEN
Alpinwissen
Klettern an atemberaubenden Eisformationen
Es ist jedes Jahr aufs Neue beeindruckend welch atemberaubende Gebilde überall dort entstehen wo Wasser über die senkrechten Felswände fließt oder fällt und in der kalten Jahreszeit zu Eis erstarrt. Diese vergänglichen und abwechslungsreichen Strukturen zu erklettern ist das Metier der Eiskletterer. Es muss etwas Faszinierendes an dieser Sportart sein, dass man freiwillig friert und sich Jahr für Jahr in der kurzen Eisklettersaison Wasserfall für Wasserfall erklettert. Und so ist es.
Das Material
Eisklettern ist ein ziemlich Materialaufwändiger und anfangs auch kostspieliger Sport. Der wichtigste Punkt ist mit Sicherheit die Auswahl der Eisgeräte sowie der Steigeisen. Hier scheiden sich die Geister. Die Geräte und Produkte auf den Markt unterscheiden sich im Detail, das hat aber relativ große Auswirkungen darüber, wie das Gefühl für den Kletterer ist. Fakt ist: Hier hilft es nur durch Probieren und Testen das eigene Lieblingsstück zu finden. Des Weiteren braucht es noch Eisschrauben und diverses Zubehör um sicher im Eis unterwegs zu sein.
Die Eisgeräte:
Das Gerät soll einen guten „Zug“ haben: d.h. beim Schlag schön ins Eis eindringen ohne dabei das Eis rund um das Schlagloch zu „sprengen“, sprich zu beschädigen. Auch der voraussichtliche Verwendungszweck ist entscheidend bei der Auswahl: Ein zu stark gebogener Schaft ist in weniger steilem Gelände nicht so angenehm wie ein leicht gebogener. Hier kann man sagen: Je steiler das Eis desto mehr sollte der Schaft gebogen sein. Das führt bis zu den stark überhängenden Mixedrouten wo die am stärksten gekrümmten Geräte eingesetzt werden.
Die Steigeisen:
Bei den Steigeisen wird das Ganze etwas einfacher. Aber auch hier ist die Auswahl riesig und die Überlegung ob Monozacke oder Doppelzacke zu treffen. Es kann generell gesagt werden: Am Anfang klettert es sich mit den Doppelzacken sicherlich einfacher, da man einen stabileren Stand hat. In schwierigen Routen und im Mixedgelände haben die Monozacken ihre Vorteile. Ein Kompromiss für abwechslungsreiches Gelände wäre zum Beispiel ein Doppelzacker wobei eine Zacke etwas weiter vorgelagert ist als die andere. Wieder hilft es nur zu probieren, einige Überlegungen für den eigenen Einsatzbereich anzustellen und für einen selbst das Beste Eisen zu finden. Spricht man mit verschiedenen Eiskletterern merkt man schnell wie sich die Geister scheiden. Bis zum Schluss sind die gängigsten Steigeisen alle extrem hochwertig und eignen sich hervorragend zum Eisklettern verglichen mit den Modellen älterer Generationen. Somit kann man beim Kauf eigentlich nicht viel falsch machen.
Die Eisschrauben:
Eisschrauben sind relativ teuer und sollten gut gepflegt werden. Beim Kauf sollte man vor allem darauf achten, dass sie einen entsprechenden Hebel haben um schnell ins Eis gedreht werden zu können. Die nächste Frage stellt sich bei Anzahl und Länge der Schrauben: Man sollte sich nicht auf eine bestimmte Länge konzentrieren, sondern in ein Sortiment an verschiedenen Eisschraubenlängen investieren. 6 Schrauben pro Kopf (12 pro Seilschaft) sollten beim Eisklettern dabei sein. Ein geeignetes Sortiment für den Start wäre zum Beispiel: 2 x 13cm, 3 x 16cm und 1x 19cm. Inzwischen gibt es auch extrem leichte Schrauben aus Aluminium mit einer Spitze aus Stahl. Der Anschaffungspreis dieser Schrauben ist allerdings wesentlich höher. Dafür sind sie vom Gewicht her deutlich leichter.
Sicherungsmittel und Zubehör
Mit den Eisschrauben ist man generell in den Wasserfällen bestens ausgerüstet. Klettert man in sogenanntem „Mixedgelände“ wo sich Eis und Felspassagen abwechseln, kommen die üblichen mobilen Sicherungsmittel wie beim Felsklettern zum Einsatz: Nägel, Klemmkeil und Friends. Es gibt jedoch auch noch spezielle Sicherungsmittel für Gelände in dem man mit den üblichen Materialen keine Chance hat ordentliche Sicherungspunkte zu setzen. Ein Beispiel für vereiste Risse, wo weder Eisschrauben gedreht noch Friends gesetzt werden können sind Eishaken eine gute Wahl. Ebenfalls in Schottischen Mixedrouten, die oft über gefrorenen Torf führen, sind Eishaken unerlässlich. Sie sollten aber nicht im Eis eingesetzt werden, hier ist der Name etwas irreführend. In steilen Firnflanken, wo kein Eis zum Setzen von Eisschrauben vorhanden ist, beziehungsweise dieses tief unter der Schneedecke verborgen ist, können nur Firnanker für ausreichend Sicherheit sorgen. Das sind aber alles spezielle Routen und Bedingungen, die erfahrenen Alpinisten vorenthalten sind. Diese wissen dann in der Regel welche Sicherungen in ihrer Route erforderlich sind und welche Materialien auf dem Markt ihren Anforderungen gerecht werden. Eiskletteranfänger brauchen sich über diese speziellen Sicherungsmittel noch keine Gedanken machen.
Weiteres Zubehör:
Empfehlenswert sind Materialkarabiner am Klettergurt. Dort können die Eisschrauben eingeclippt und sortiert werden. Auch ein Abalakov-Fädler gehört in das Sortiment eines jeden Eiskletterers. Nicht unbedingt erforderlich sind sogenannte „Leashes“ zum Befestigen der Eisgeräte am Gurt. Man sollte sich jedoch im Klaren sein, dass man ein Problem hat sollte ein Eisgerät im Vorstieg verloren gehen. Nur mehr extrem selten sieht man Eiskletterer mit Handschlaufen an den Eisgeräten. Sie sind noch ein Überbleibsel aus vergangenen Tagen wo die Eisgeräte noch nicht so ausgefeilt waren wie heutzutage.
Die restliche Ausrüstung ist ein Mix aus Sport und Alpinklettern.
Technik zum Platzieren der Eisgeräte, Steigeisen und Eisschrauben
Technik zum Platzieren der Eisgeräte:
Eisgeräte sicher und präzise zu platzieren erfordert einiges an Übung und Erfahrung. Der Schlag sollte möglichst gerade erfolgen, ohne in der Schulter, Ellenbogen oder im Handgelenk etwas zu verdrehen. Kurz bevor das Eisgerät im Eis eindringt sollte nochmal ein kleiner Impuls aus dem Handgelenk nach unten erfolgen. Soviel zur Theorie. In der Praxis sind noch viele weitere Faktoren, die mit ausreichend Übung kommen sollten, wichtig: Vor allem an welcher Position im Eis das Gerät gesetzt wird: Es gilt die vorhandenen Strukturen zu lesen und geeignete Punkte zu finden. In kleinen Einbuchtungen und Strukturen hält das Gerät generell am besten und das Eis sprengt nicht. Schlägt man hingegen auf Wülsten wird das Eis um das Gerät herum gesprengt und platzt auf.
Bei bereits gekletterten Wasserfällen finden sich in der Regel zahlreiche alte Schlaglöcher in die die Eisgeräte nur noch gelegt werden müssen. Das spart jede Menge Zeit und Kraft und ist wesentlich effektiver als alles neue Löcher zu schlagen. Vor dem setzen des Eisgerätes lohnt es sich auf alle Fälle kurz zu überlegen und den besten Platz für den nächsten Schlag gut auszuwählen.
Hat man sich für eine Position entschieden, gilt es das Gerät möglichst Präzise und mit der richtigen Kraft zu positionieren. Anhand des Klanges, wenn das Eisgerät in das Eis eindringt, erhält man ein gutes Feedback wie gut das Gerät sitzt. Zudem fühlt man in der Schlaghand ob das Eisgerät sauber eingedrungen ist und einen sicheren Halt bietet. Beobachte außerdem was rund um das Einschlagloch passiert. Verfärbt sich das Eis weiß oder gehen Risse auf wurde das Eis gesprengt und es kann unter Umständen sein, dass das Eisgerät ausbricht. Teste kurz ob das Eisgerät hält indem du es mit dem vollen Gewicht belastest bevor du das zweite Eisgerät herausziehst um den nächsten Schlag zu setzen.
Technik zum Platzieren der Steigeisen:
Ein sicherer Stand ist enorm wichtig beim Eisklettern. Es spart viel Kraft in den Armen, wenn man seinen Steigeisen vertraut und vor allem die Beine an der richtigen Position hat. Halte nach Strukturen Ausschau, ähnlich wie beim Klettern. Mit einem präzisen Kick dringen die Frontalzachen in das Eis ein. Nun die Ferse nach unten, dass die vordere Zackenreihe auf dem Eis aufliegt und für Stabilität sorgt. Wichtig ist es immer nur kleine Schritte zu machen und die Beine nicht zu hoch zu platzieren. Achte zudem auf eine stabile Dreiecksposition: Deine Beine sollten links und rechts unterhalb des Eisgeräts platziert sein welches angezogen und blockiert wird um mit dem anderen Eisgerät den nächsten Schlag auszuführen. Damit hast du stets eine stabile Position und dir kann nicht „die Tür aufgehen“ wenn du das zweite Eisgerät aus dem Eis ziehst. Bleibe beim Höhersteigen in der Hocke, dass deine Arme möglichst in einer gestreckten Position bleiben. Erst sobald du bereit bist das zweite Eisgerät aus dem Eis zu ziehen um es höher zu setzen richtest du dich auf und blockierst am anderen Eisgerät.
Technik zum Setzen von Eisschrauben:
Eisschrauben werden generell auf Hüfthöhe gesetzt. Damit kannst du genügend Kraft aufbringen damit die Schraube „beisst“. Halte sie dazu fest umschlossen und drehe sie eine Umdrehung ins Eis. Sobald die Schraube ein paar Zentimeter ins Eis gedreht ist, kannst du den Hebel zum schnellen eindrehen verwenden ohne dass dir die Schraube auf den Boden fällt. Falls an der Oberfläche eine Schicht morsches oder schneedurchsetztes Eis ist entferne diese mit dem Eisgerät bevor du die Schraube ansetzt. Drehe die Schraube bis zum Anschlag ins Eis. Sollte das nicht möglich sein, weil zum Beispiel die Eisauflage zu dünn ist, musst du die Schraube unbedingt mit einer Bandschlinge abbinden.
Seiltechnik und Standplatzbau
Seiltechnisch ähnelt das Eisklettern mit mehreren Seillängen dem des Alpinklettern. Generell wird mit Halbseilen geklettert. Du kannst die Seile dabei abwechselnd in die Fixpunkte hängen. Normalerweise ist das aber nicht notwendig da du in der Regel keine so starke Seilreibung wie beim Felsklettern bekommst. Wichtig beim Eisklettern ist die Standortwahl deines Standplatzes. Achte darauf, dass er frei von objektiven Gefahren wie herunterfallenden Eiszapfen ist. Zudem sollte er unbedingt außerhalb der Schusslinie der Eisbrocken sein die der Vorsteiger in der folgenden Seillänge unweigerlich loslösen wird. Überlege dir also bevor du mit dem Aufbau des Standplatzes beginnst wohin dein Seilpartner in der nächsten Länge klettern wird. Ein Standplatz im Eis wird generell mit 2 Eisschrauben, die mittels Reihenschaltung miteinander verbunden werden, gebaut. Ebenfalls eignen sich natürlich dieselben Methoden wie beim Alpinklettern wo die Fixpunkte so miteinander verbunden werden, dass kein Fixpunkt den gesamten Fangstoß im Falle eines Sturzes abbekommt, sondern alle Sicherungspunkte gleichmäßig.
Abalakov Sanduhren und Abseilen
Zum Abseilen über den Eisfall wenn keine Stanplätze im Fels vorhanden eignen sich Abalakov Sanduhren am besten. Beim Bau der Sanduhren muss jedoch gewissenhaft und präzise gearbeitet werden. Auch das Eis in dem eine Abalakov gebohrt wird sollte gesund und möglichst frei von Lufteinschlüssen sein. Also je weißer das Eis desto schlechter und weniger Stabil ist das Eis. Das Einrichten erfordert ein bisschen Übung: Verwende eine möglichst lange Eisschraube. Das erste Loch wird in einem Winkel von 60° zur Eisoberfläche gebohrt. Achte auf einen durchwegs festen Bohrkern. Dann wird das zweite Loch in einem Abstand von der Länge der Eisschraube ebenfalls in einem Winkel von 60° gebohrt. Hier ist präzises arbeiten gefragt, dass du das erste Bohrloch ganz hinten mit dem zweiten Bohrloch triffst. Nun muss nur noch das Bohrloch gesäubert und die Sanduhr mit einer Reepschnur gefädelt werden. Achte darauf, dass die Reepschnur nicht zu kurz ist, da sonst eine zu große Belastung der Bohrlöcher zueinander auftreten kann. Du kannst auch direkt das Kletterseil in die Sanduhr fädeln: Hierbei musst du aber aufpassen, dass das Seil nicht festfriert. Zudem solltest du deine Sanduhr noch mit einer Eisschraube hintersichern ohne dass diese unter Belastung ist. Erst der letzte der abseilt nimmt die Schraube dann mit. Sozusagen nachdem die Sanduhr getestet wurde.
Vertrauen in die Geräte sowie das Einschätzen der richtigen Bedingungen sind beim Eisklettern zwei entscheidende Faktoren. Beides kommt mit der Zeit und mit Metern, die man zusammen mit den Eisgeräten, den Steigeisen und den Eisschrauben im Eis macht. Je mehr man es schafft im Eis unterwegs zu sein, desto selbstverständlicher werden die Bewegungsabläufe und die Sicherheit, mit der man unterwegs ist. Läuft es erstmal ist diese Art zu klettern eine der faszinierendsten, die man sich vorstellen kann.