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DIE GESCHICHTE DER SÜDTIROLER BERGFÜHRER

Die Anfänge

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Ein Berufsbild mit einer spannenden, abwechslungsreichen Geschichte, geprägt von zahlreichen schwierigen Episoden und Rückschlägen sowie zwei Weltkriegen. Seinen Anfang nahm alles gegen Ende des 18. Jahrhunderts – genauer gesagt mit der Besteigung des Mont Blanc 1786. Damals und in den folgenden Jahrzehnten waren es vor allem Wissenschaftler, die ortskundige und geländetaugliche Begleiter für ihre Untersuchungen und Vermessungen benötigten. Langsam, aber sicher zeichneten sich erste besonders geschickte „Bergführer“ aus und machten sich einen Namen. Damals war man jedoch noch weit von einem geregelten Berufsbild entfernt.

Das Besteigen der höchsten Alpengipfel war vor allem bei gut betuchten Engländern in Mode, spielte sich jedoch vorwiegend in den Westalpen ab. So dauerte es in Tirol etwas länger, bis sich herauskristallisierte, dass man mit dem Bergführen Geld verdienen könnte. Der Grund war einfach: Die Bergsteiger waren noch rar, also war auch die Nachfrage für Führer rar. Eine erste behördliche Regelung des Bergführerwesens in Tirol stammt dann aus den 1860-er Jahren.

Anfangs waren die Tiroler Bergführer noch ein wilder Haufen mit unterschiedlichsten Hintergründen. Doch die Nachfrage wird immer größer und es wird regelrecht nach geeigneten Bergsteigern gesucht, die die stetig steigende Zahl an Touristen in die Berge begleiten sollten. Einige Bergführer beginnen den verhältnismäßig sehr guten Lohn, den es für die durchgeführten Touren gab, geschickt in der Tourismusbranche zu investieren.

In den 1870-er Jahren nahm der Deutsche und Österreichische Alpenverein die Bergführer unter seine Fittiche und begann den Beruf zu regeln, für eine ordentliche Ausbildung zu sorgen und vor allem auch für eine soziale Absicherung im Falle von Unfällen. Für die damalige Zeit alles andere als selbstverständlich. Die Berufsgruppe der Bergführer war privilegiert.

Das goldene Zeitalter des Bergführerwesens

Nie zuvor und auch nie wieder danach sind Bergführer in der Gesellschaft derart angesehen und wirtschaftlich gut aufgestellt wie in den Jahren 1880 bis 1910. Ihre Meinung hat Gewicht, sie sitzen in Gemeinderäten, zählen zu den Großverdienern der damaligen Zeit und investieren geschickt in touristische Infrastrukturen, Hotels und Schutzhütten. In Südtirol zählen die Bergführer zu den Pionieren der heute so stark aufgestellten Tourismusbranche und die Nachfrage für geführte Touren wächst. Inzwischen kann es sich nämlich auch die Mittelschicht leisten, den Urlaub in den Bergen zu verbringen. Michl Innerkofler, Franz Innerkofler, Johann Niederwieser Stabeler, Hanssepp Pinggera oder Peter Salcher sind die herausragenden Figuren der Südtiroler Bergführer jener Zeit. Immer mehr wollen jetzt diesen hoch angesehenen Beruf ausüben. Die Bergführeranwärter müssen eine immer anspruchsvollere Ausbildung bewältigen. Gleichzeitig stärkt man mit einer neuen Bergführerordnung den fertig ausgebildeten Bergführern den Rücken und stellt ihnen die Aspiranten als Träger zur Seite.

Die Kirche wird zum Spielverderber

Um die Jahrhundertwende beginnt sich die Kirche einzumischen. Der Tourismus und der einhergehende Sittenverfall sind den Geistlichen ein Dorn im Auge. Mittendrin die Bergführer Südtirols, die als Tourismuspioniere besonders ins Visier geraten. Es wird ein Verbot erlassen, dass ohne vorherigen Besuch der heiligen Messe keine sonntäglichen Bergtouren mehr stattfinden dürfen. Doch auch hier weiß man sich zu helfen: In jener Epoche bekommen zahlreiche Schutzhütten eine eigene Kapelle, wo in aller Herrgottsfrüh die Messe gelesen wird, um die angepeilten Touren rechtzeitig in Angriff nehmen zu können.

Der Erste Weltkrieg

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kommt der Tourismus und damit auch das Bergführerwesen komplett zum Erliegen. Schlimmer noch, als Italien im Mai 1915 die Seiten wechselt und Österreich-Ungarn den Krieg erklärt, befindet sich Südtirol plötzlich an der Front. Da es an dieser neuen Front praktisch nur Berge gibt, wird diese im unwegsamsten Gelände aufgebaut und mit allen Mitteln verteidigt. Nun sind es die Südtiroler Bergführer, die als Experten im schwierigen und unwegsamen Gelände und vor allem in den Dolomiten zu den gefragtesten Soldaten für die Speerspitzen in den vordersten Linien werden. Eine Tatsache, die vielen renommierten Bergführern das Leben kosten sollte. Bekanntestes Beispiel ist dabei Sepp Innerkofler, der von der Kriegspropaganda zum Kriegshelden gemacht wird. Sein Einsatz im Krieg ist nur von kurzer Dauer. Jedoch geht ein erfolgreicher Alleingang auf die Kleine Zinne auf seine Kappe, um von dort das österreichische Artilleriefeuer zu leiten. Zudem besteigt er zahlreiche Gipfel, um Erkundungen und Beobachtungen durchzuführen oder feindliche Patrouillen zu überraschen. Er starb jedoch bereits am 4. Juli 1915 beim Versuch mit seiner „Fliegenden-Zinnen-Patrouille“ eine italienische Stellung am Paternkofel zu überrennen. Bis zum Ende des Krieges im Herbst 1918 wollen sich die Verantwortlichen des Gebirgskrieges die Aussichtslosigkeit dieser Front, die sich über Jahre kaum bewegt, nicht eingestehen. Quasi bis zum letzten Kriegstag werden Soldaten und Materialien komplett sinnfrei in den Bergen verheizt.

Ein neuer Staat

Der Scherbenhaufen, vor dem das Bergführerwesen in Südtirol nach dem Krieg steht, ist groß. Bergsteigen steht in der Prioritätenliste der Menschen weit unten, der Tourismus existiert praktisch nicht mehr. Viele Bergführer schlagen sich mit Nebenjobs als Handwerker oder Bauern durch. Nun ist Südtirol ein Teil Italiens und so buhlt auch der CAI (Club Alpino Italiano) um die Gunst der Südtiroler Führer. Zunächst entscheiden sich jedoch die meisten der zwar aktiven aber weitestgehend arbeitslosen Bergführer für einen Verbleib beim Alpenverein. Als 1923 alle alpinen Vereine, die nicht dem CAI angehören, per Dekret aufgelöst werden, wird diese Entscheidung hinfällig. Bald folgt noch ein weiterer folgenschwerer Schritt Mussolinis: Da das faschistische Regime kein Freund von regionaler Eigenständigkeit ist, wird 1930 auch die Führerorganisation zentralisiert und das „Nationale Konsortium der Bergführer und Träger“ gegründet. Erschwerend kommt noch dazu, dass sich vor dem ersten Weltkrieg kaum jemand ohne Bergführer in die Berge wagte. Doch in dieser Zeit wurde auch das sogenannte führerlose Bergsteigen immer beliebter – und hob das bergsteigerische Niveau auf eine Stufe, die noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen ist. Für die Bergführer Südtirols alles in allem schwierige Zeiten, weit entfernt vom goldenen Zeitalter. 

Die Option und der Zweite Weltkrieg

Lange versuchte das italienische Regime aus Südtirol ein italienisches Land zu machen. Vergebens. 1939 einigen sich Hitler und Mussolini darauf, den widerspenstigen Südtirolern ein Angebot zu machen: Entweder in Südtirol bleiben und italienisch werden oder gehen und deutsch bleiben. Auch viele Bergführer Südtirols stellt diese Option vor eine große Frage: Gibt es in der versprochenen neuen Heimat überhaupt Berge? Beeindruckend sind die Zahlen des nationalen Führerkonsortiums: Nach Abrechnung der Optanten sind nur noch 7 Führer und 6 Träger in Südtirol gemeldet. Also haben sich fast 90% aller Führer und Träger fürs Auswandern entschieden – sogar noch etwas mehr als die 85% an Optanten in der Gesamtbevölkerung. Im Nachhinein muss man es als Glück im Unglück betrachten, dass der Ausbruch des zweiten Weltkrieges diesen Umsiedlungsplänen für ein ganzes Volk einen Strich durch die Rechnung machte. Doch ein Krieg ist und bleibt ein Krieg, ein Leiden und Sterben. Der Zweite Weltkrieg hat wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche auch das Bergführerwesen in Schutt und Asche gelegt. Wie viele Bergführer unter den 8.000 gefallenen Südtirolern dabei sind ist nicht bekannt. Das Kriegsende 1945 bedeutet somit auch für die Bergführer Südtirols sowas wie eine Stunde null.

Ein Neuanfang

Eine erste wichtige Entscheidung für das Bergführerwesen in Südtirol war die Gründung des Südtiroler Alpenvereins 1946. Es gibt eine neue Bergführerverordnung und der Trend zeigt langsam aufwärts. Doch noch 1948 sind fast die Hälfte aller Schutzhütten in den Bergen nicht bewirtschaftet. Auch die Kunden fehlen, da die Einreise nach Südtirol mit großen bürokratischen Hürden verbunden ist. Mit dem ersten Autonomiestatut beginnt das Land Südtirol auch die Bergführerausbildung unter ihre Fittiche zu nehmen und finanziell zu unterstützen. Neue Bergführer bekommen ihr Diplom im Landtagssaal überreicht. Im AVS wird 1956 die Bergführergruppe gegründet. Mit einer eigenen Ausbildung und eigenem Abzeichen tritt man mit dem CAI in Konkurrenz. Es dauert jedoch bis 1976 bis dieses Abzeichen auch von der Internationalen Vereinigung der Bergführerverbände (IVBV) anerkannt wird und die Bergführer des AVS dazu ermächtigt auch im Ausland zu führen. In der Zwischenzeit zieht der Tourismus immer weiter an und die vielen jungen Bergführer, die in der Nachkriegszeit ihre Diplome erlangen und die „alten“ langsam aber sicher ablösen, arrangieren sich – sie erkennen, dass allein mit den Touren vor der Haustür kein ganzjähriges Einkommen verdient werden kann und sind nun im gesamten Alpenbogen tätig. Es entsteht ein neues Verhältnis zum Gast, der seine Bergführer nicht mehr lokal vor Ort auswählt und somit ständig wechselt, sondern er wird zum Stammgast, der seinen Bergführer überall dabeihat.

IVBV und Bergführerverband Südtirol

1965 wird in der Schweiz die Internationale Vereinigung der Bergführerverbände (IVBV) gegründet. Die wichtigste Leistung dieser Vereinigung ist jene, dass sie den Bergführern die Grenzen zunächst alpenweit - und bis heute fast weltweit geöffnet hat. Sie können ihrem Beruf in allen Gebirgen dieser Welt nachgehen, das blau-weiße Logo wird (fast) überall anerkannt. Mit dem zweiten Autonomiestatut 1972 wird Südtirol de-facto eine Region mit eigenständiger politischer Verantwortung in einer ganzen Reihe von Bereichen, dazu auch „Tourismus und Gastgewerbe“ zu welchem explizit angeführt auch das „Bergführer- und Trägerwesen“ gehört. Als erstes fallen die „Träger“ dieser autonomen Regelung des Bergführerwesens zum Opfer. Sie haben nun ausgedient und weichen dem "Bergführeraspiranten". 1978 wird dann schließlich die erste autonome „Berg- und Skiführerverordnung“ Südtirols verabschiedet. Am 29.11.1980 folg schließlich ein weiterer überfälliger Schritt: Die Loslösung des Bergführerverbandes von den alpinen Vereinen CAI und AVS. 110 der 130 damals lizenzierten Bergführer stimmen für die Gründung des „Verbandes der Südtiroler Berg- und Skiführer“. Nun sind alle Bergführer des Landes unter einem Verband vereint und auch das Land kann die Fördergelder direkt an einen Ansprechpartner verteilen. Das Modell hat sich bewährt, inzwischen haben zahlreiche Bergführeranwärter die vom „Südtiroler Bergführerverband“ organisierten Ausbildungen durchlaufen und zählen heute zu den gefragtesten Führern weltweit.

 

Geschichte der Südtiroler Bergführer
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